Marika Quell schildert ihre persönlichen Erfahrungen und Frustrationen bei der Suche nach einem Kitaplatz in Leipzig für Ihre Tochter Lilly (geboren im Oktober 2012).
Inwiefern seid ihr mit dem Kita-Problem in Leipzig in Berührung gekommen?
Im Oktober 2012 sind wir Eltern geworden und suchen nun schon seit der Geburt unserer Tochter einen Betreuungsplatz für sie in einer Kita ab Oktober 2013, damit es mir (als Mutter) wieder möglich ist nach der Elternzeit arbeiten zu gehen. Wir suchen jetzt also seit über einem halben Jahr vergeblich.
Was hat euch bei der Suche nach einem Kitaplatz besonders erstaunt oder enttäuscht?
Enttäuschend ist, dass in allen Kitas hier im Umkreis schon bereits ein 3/4 Jahr vor dem potenziellen Betreuungsbeginn kein Platz zu bekommen ist! Und das, obwohl wir einen Betreuungsbeginn genau zu dem Zeitpunkt brauchen, an dem der Hauptwechsel von Kita zu Schule ist – das ist wirklich unglaublich! Wie soll es da Eltern gehen, die nicht in diesem eigentlich idealen Turnus sind?
Weiterhin ist enttäuschend, wie mangelhaft das Kita-Portal von Leipzig funktioniert: Es sind kaum Plätze vorhanden, vorhandene lassen sich nicht reservieren oder reservierte sind ein Systemfehler. Es ist mehr als frustrierend, wenn man sich monatelang die Nächte um die Ohren schlagen muss, immer in der Hoffnung, dass heute eventuell ein Platz um 0 Uhr im Portal erscheint.
Außerdem ist enttäuschend, dass die Kitas auf das Portal verweisen, obwohl ihre Plätze schon vergeben sind und obwohl es mehr als ein halbes Jahr vor Betreuungsbeginn ist.
Enttäuschend ist auch, dass sich die Eröffnungen von neu geplante Kitas stark verzögern und die neu geschaffenen Plätze größtenteils schon lange vor der Eröffnung alle vergeben sind bzw. eine doppelte Anzahl an Bewerbungen vorliegen.
Sehr erstaunt sind wir über die Kommunikation mit dem Jugendamt und die nicht erhaltene Unterstützung/Hilfe. Dass man erst sechs Wochen vor Arbeitsantritt überhaupt eine Chance auf Unterstützung hat ist eine Frechheit – und damit ist noch kein Kitaplatz garantiert! Der Arbeitgeber braucht schließlich auch eine Auskunft!
Was hättet ihr euch eigentlich gewünscht?
Vor allem mehr Unterstützung durch das Jugendamt bzw. eine Zentrale Vergabestelle für die freien Krippen-/Kitaplätze in Leipzig, bei denen nach Dringlichkeit, Verfügbarkeit und Nähe zum Wohnort entschieden wird. Auf jeden Fall keine Vergaben unter der Hand, wie es im Moment ja üblich zu sein scheint.
Wünschenswert wäre auch, dass das Portal besser funktioniert. Eine Anmeldung mit den eigenen Daten und Auswahlkriterien für die Kitas oder die Möglichkeit zu reservieren ohne jedes Mal alles neu eingeben zu müssen ist zum Beispiel so eine Schwachstelle. Momentan muss man immer bangen, dass man am schnellsten tippt, weil sonst der Platz wahrscheinlich gleich wieder weg ist.
Welche Auswirkungen hatte die Situation für eure Familie?
Viel, viel Frust, schlaflose Nächte und eine beeinträchtigte Elternzeit! Man kann die Zeit mit seinem Kind überhaupt nicht mehr genießen, weil man immer daran denken muss, wie es weiter geht, wenn das Kind ein Jahr alt wird und man keinen Betreuungsplatz gefunden hat. Man macht sich ständig Sorgen und ist angespannt, weil die Zukunft bezüglich der Betreuung so unklar ist.
Was muss aus eurer Sicht verbessert werden?
Die Vergabe der Plätze muss unbedingt verbessert werden! Sie sollte einfach, klar und transparent geregelt werden! Warum ist es z.B. bei der Vergabe von Studienplätzen möglich, die Vergabe zu zentralisieren, bei der Betreuung unserer Kinder aber nicht? Das würde doch für ALLE – Eltern, Kitas und Jugendamt – eine deutliche Entlastung bringen. Auch für die Kita-Leitungen wird die Situation schlimm sein, wenn ständig das Telefon klingelt, Briefe ankommen oder Eltern vor der Tür stehen. Darunter leidet doch auch der Kita-Alltag!
Es sollte unter anderem einheitliche und deutliche Richtlinien geben, wann und wie man sich bei den Kitas eintragen lassen kann.
Desweiteren müssen auch weitere Kitaplätze in Leipzig geschaffen werden und es muss mehr Personal eingestellt werden. Bei beidem herrscht ja derzeit ein deutlicher Mangel.
Wenn Tagesmütter und -väter eine wirkliche Alternative zu den Krippen darstellen sollen, müsste auch hier einiges getan werden. Mal vorausgesetzt, dass die Betreuung und Ausbildung akzeptabel ist, müssen solche Dinge geklärt wie: Was passiert wenn die Tagesmutter/-vater krank ist? Wie kann gewährleistet werden, dass auch hier die Betreuungszeiten akzeptabel für die Eltern sind? Viele Tageseltern betreuen nur bis 15, maximal bis 16 Uhr – für Menschen die keinen geregelten Bürojob haben, ist das zu kurz. Eine Betreuung bis 17 Uhr oder 18 Uhr muss irgendwie möglich sein. Auch eine Betreuung von maximal 8 Stunden kann schwierig werden, wenn zum Beispiel der Weg zur Betreuung und der Arbeitsweg nicht identisch sind. Man kommt dann schnell zu täglich zwei Stunden Fahrtzeit, nur um auf Arbeit zu kommen und sein Kind abzugeben/abzuholen! Viel Arbeitszeit bleibt einem dann nicht mehr…
Wenn ihr den Verantwortlichen etwas direkt sagen könntet…
Warum wird erst etwas getan nachdem der Gesetzgeber die Pflicht verordnet hat? Wie konnte man solange die Augen vor der Situation verschließen und warum hat man nicht viel eher gehandelt? Und wer hat sich diese däm… Portal ausgedacht bzw. so konstruiert, dass es völlig sinnfrei ist und Eltern nur frustriert, statt unterstützt?
Familie Quell:
Mama Marika, Papa Christian mit Tochter Lilly (geboren 10/2012).
Interview wurde geführt im April 2013
Nächste Woche erfahrt ihr, welche Probleme die Kita-Situation in Leipzig für Kitas selbst mit sich bringt.
Es ist verständlich, dass man bei so einem Frust nach besseren Regelungen verlangt, aber trotzdem nicht richtig! Zentrale Platzvergaben, Kriterienkataloge, Kita-Portal (das ja wirklich unmöglich gestaltet wurde!) etc. lösen das Problem nicht, denn jede Familie, die einen Platz braucht und nicht bekommt, erfährt dies als Ungerechtigkeit. Egal, ob es in der Pluralität der Trägerlandschaft oder in einer zentralistischen Regelung passiert.
Stadtverwaltung und Stadtrat haben seit Jahren den Zustand des Platzmangels in Kauf genommen (spart städtisches Geld, von dem nie genug da ist) – aber nur genug Plätze hätten das Problem vermieden!
Und noch ein Widerspruch: Tagespflege ist aus bürgerlicher Selbsthilfe heraus entstanden und von der Art her kein vollwertiger Ersatz für einen richtigen Betreuungsplatz. Wer mit einem 1jährigen Kind schon wieder voll arbeiten/studieren will, ist mit Tagespflege nicht ausreichend versorgt.