Ronny Eichhorn, einer der Initiatoren von LeiKiLa e.V., schildert in einem offenen Brief an den Jugendamtsleiter die verzweifelte Situation seiner Familie:
Sehr geehrter Dr. Nicolas Tsapos,
Angesichts der aktuellen Debatte um fehlende Kita-Plätze wird dies sicher nicht die einzige schriftliche Meldung sein, die (hoffentlich) über Ihren Tisch gehen wird. Dennoch sehen wir angesichts unserer dramatischen Situation keine andere Möglichkeit, als uns direkt an Sie zu wenden. Wir – Ronny 43, Ulrike 39, Esther 3, Jolantha 2 und ab Mai 2014 Baby Nummer drei – stehen ab Ende April vor einem Dilemma. Für unsere beiden Kinder haben wir dann keinerlei Betreuung mehr – die Tagesmutter zieht in eine andere Stadt – und auch überhaupt keine Aussicht auf zwei Plätze in einem Kindergarten. Dazu kommt noch verschärfend, dass wir, wie schon oben erwähnt, ab Mai einen weiteren Neuzugang in unserer Familie haben. Zwei Monate werden wir diesen Zustand irgendwie managen können, weil ich in Elternzeit gehen werde. Ab spätestens Mitte Juli sind wir dann mit unserem Latein am Ende. Ich muss wieder meiner Arbeit als Freier Mitarbeiter des MDR nachgehen, schlicht um die Familie zu ernähren. Wie dann meine Frau mit einem Säugling und zwei kleinen Kindern den Alltag bestreiten soll, ist uns bisher noch nicht klar.
Sicher, diese Situation trifft uns nicht ganz unvorbereitet. Da wir bereits im vergangenen Jahr wussten, wie schwer es ist, hier in Leipzig zwei für uns akzeptable Betreuungsplätze zu finden, hatten wir uns einer Elterninitiative angeschlossen. LeiKiLa e.V. hat sich auf die Fahnen geschrieben, selbst eine Klein-Kita zu gründen, die auch noch integrativ sein soll. Damals waren in der Initiative ausschließlich Eltern, die ein ähnliches Problem hatten wie wir. Eine tolle Idee, fanden wir und stürzten uns in die Arbeit. Leider fanden wir bei Ihrem Amt keine wirkliche Unterstützung – im Gegenteil. Ihr Vorgänger machte mehrfach unmissverständlich klar, dass eine Kita unter 75 Kindern nicht gewollt sei. Danach folgten Presseartikel, Fernseh- und Radiobeiträge und viele Gespräche und Vor-Ort-Termine mit unterschiedlichen MitarbeiterInnen Ihres Amtes. Ehrlich – bis heute habe ich keine wirkliche Unterstützung unserer Initiative gespürt. Jetzt viele Monate später ist unser geplanter Eröffnungstermin – Anfang August 2014 – in weite Ferne gerückt. Auch gab ein Großteil der Startbesetzung entnervt oder entmutigt auf.
Wir, die wir unglaublich viel Zeit, Kraft und Nerven in dieses Projekt gesteckt haben, stehen aktuell richtig mit dem Rücken zur Wand. Natürlich haben wir jetzt auch eine Bedarfsanmeldung an Ihr Amt verschickt. Doch ein Blick auf die Kitaplatz-Seite genügt, um zu sehen, wie groß unsere Chancen sind. Wir wissen auch, dass wir theoretisch unser Recht auf einen Kita-Platz einklagen könnten. Das wollen wir aber möglichst nicht tun, weil es am grundlegenden Problem nichts ändert. Wir benötigen hier und jetzt zwei Plätze in einer Einrichtung. Vielleicht könnte man sich ja mal zu einem Gespräch treffen. Wir würden Ihnen unsere Sicht der Dinge gern persönlich schildern. Aber vielleicht fällt Ihnen ja auch etwas ein, wie uns in unserer derzeit ausweglos scheinenden Situation geholfen werden kann.
Viele Grüße
Ronny Eichhorn
Vielleicht will niemand lesen, was ich über diesen Beitrag denke, aber ich will es trotzdem kundtun:
Es ist sehr schön, dass es noch Familien in Leipzig gibt, vorallem mit beiden Elternteilen.
Jedenfalls legt man sich eine Familie ja freiwillig zu. Jedes Jahr ein Kind bekommen, ist eine große Herrausforderung für die Mutter, jedoch selbst gewählt. Sicher spielt hier das hohe Alter eine Rolle, was die Eile der „Reproduktion“ erklärt. Das verstehe ich auch bis zu einem gewissen Punkt, da ich selbst demnächst mein 2. Kind erwarte und 34 bin. Genau genommen befinde ich mich in einer sehr ähnlichen Situation: Unser Sohn wird im Juni 3 Jahre und hat keinen Kitaplatz, weil die Plätze immer erst an die „Notfälle“ (Ausbildung, Studium, Alleinerziehend, Geschwister) vergeben werden. Schwangere sind nicht mehr gern gesehen, egal wo.
Wir haben unseren Sohn in den Kitas der Umgebung angemeldet seit er 1 Jahr ist. Ich hatte 2 Jahre Elternzeit in Anspruch genommen, da ich mich in der Zeit auch nach einem Job innerhalb Leipzigs umsehen wollte.
Mit etwa 18 Monaten haben wir durch Zufall einen Tagesvater für ihn gefunden, der unseren Sohn von 7-16 Uhr betreuen konnte. Das war 5 km von unserem Wohnort entfernt und verkehrstechnisch immer wieder schwer zu erreichen. Gehäuft war ich über 1 Stunde nur mit Straßenbahn fahren und auf die Straßenbahn warten beschäftigt. Wenn mein Mann den Kleinen mit dem Auto bringen oder holen konnte, war das zwar schneller, aber man musste starke Nerven haben wegen der Baustellen, die jede Woche woanders waren. Jedenfalls habe ich nicht einen lausigen Teilzeitjob finden können, der mit den Betreuungszeiten des Tagesvaters kompatibel war. Vollzeit gab es mehr als genug und ich hätte das auch sehr gerne gemacht, aber ich hab mir ja meine kleine Familie gewünscht, also musste ich eben erstmal zurückstecken. Kurz und knapp, es gibt keine Mütterjobs in Leipzig! Also musste ich mein Arbeitsverhältnis lösen ohne weich zu fallen. Eine Teilzeitlösung wäre wegen der Entfernung zum Arbeitsort (1,5 Std hin sowie 1,5 Std. zurück) zeitlich nicht machbar gewesen und wir haben auch keine Omas oder andere Verwandte hier, die da manchmal hätten einspringen können.
Einige Monate später haben wir uns dann für ein zweites Kind entschieden.
Unser Sohn geht längst nicht mehr zu den Tageskindern, da die Betreuung auch nicht ganz dem entsprach, was ich mir darunter vorgestellt hatte und der Weg dorthin durch die Schwangerschaft auch immer beschwerlicher wurde.
Ich weiß auch noch nicht wie das werden soll, wenn das Baby da ist. Mein Mann kann jedenfalls gar keine Elternzeit nehmen und auch keinen Urlaub. Ich bin dann also die meiste Zeit allein mit Säugling und Kind im Trotzalter. Die Arbeitszeiten meines Mannes sind sehr unterschiedlich und viel am Wochenende und an Feiertagen. Dafür hat er im Sommer sechs Wochen am Stück Urlaub – Spielzeitpause. Dazu kommt noch seine Tochter, die knapp an der Pupertät ist und immer mal vorbeischneit, jemand zum Reden oder Hilfe bei Schulaufgaben braucht und auch sonst für ein mehr an Hausarbeit sorgt. Eine Hilfe ist sie für mich jedenfalls nicht.
Allerdings hab ich mir das alles so ausgesucht mit dem geliebten Mann und dem Kindersegen. Und bin darüber unglaublich froh! Manche warten ja ewig auf Nachwuchs oder es bleibt ganz aus.
Das einzige was mich bisschen stört, ist die Tatsache, dass es für meinen Sohn momentan nur selten unter der Woche Spielkameraden gibt. Aber so ist das eben, wenn alle ihre Kinder in die Kita bringen.
Ich will mir kein Urteil über die Familie Eichhorn erlauben, da ich sie ja gar nicht kenne. Aber ich komme nicht umhin zu vermuten, dass ihr Leiden auf höherem Niveau stattfindet.
Warum Leiden auf höherem Niveau, mareen? Die Situation ist doch vergleichbar, nur ein Kind mehr? Ganz schön blöde, wenn sich Leidensgenossen gegenseitig in den Rücken fallen.
Natürlich ist es vergleichbar, wenn auch ein Stiefkind ebenso ein Kind im Haushalt darstellt, welches betreut werden muss.
Ich bin nicht der Ansicht, dass freie Meinungsäußerung „in den Rücken fallen“ bedeutet.
Und ich glaube auch, es gibt schlimmere Fälle, als den der Familie Eichhorn. Ich kenne da noch ganz andere Geschichten, auch nicht aus Leipzig. Ich wüsste nicht, was daran so zum Kopfschütteln ist.