Zu wenig Erzieher für zu viele Kinder in Sachsen
Die Erkenntnis ist nicht neu: Sachsen zählt zu den Bundesländern mit den schlechtesten Betreuungsschlüsseln in Kindertageseinrichtungen – sowohl auf dem Papier als auch in der Realität. Das bestätigte jüngst erneut eine Studie der Bertelsmann Stiftung (> zur Meldung). Demnach fehlen in Sachsen 16.700 Erzieherinnen und Erzieher. Eine Betreuerin müsste in Sachsen im Durchschnitt 6,3 Krippen- und 13,5 Kindergartenkinder betreuen. Experten empfehlen hingegen ein Verhältnis von 1:3 in der Krippe und höchstens 1:7 im Kindergartenbereich. Der Rechtsanspruch und die in Leipzig vorgenommenen Maßnahmen zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze haben die reale Betreuungssituation in Leipziger Kindertagesstätten noch verschärft.
Zustände in Leipziger Kitas katastrophal
Wir haben in verschiedenen Leipziger Kinderbetreuungseinrichtungen nach den Arbeitsbedingungen und Problemen gefragt. Die Rückmeldungen sind mehr als beunruhigend:
„Wir können den Betrieb nur mit Schülerpraktikantinnen aufrecht erhalten.“
„Jeder Krankheitsfall bringt uns an unsere Grenzen, es gibt keine Erzieher die einspringen können.“
„Ich habe so viele Überstunden, dass ich bis Herbst Urlaub machen könnte.“
„Pädagogische Arbeit ist nicht mehr möglich, es geht nur noch darum, das Chaos zu verwalten.“
„Ich habe mir die Arbeit wertvoller vorgestellt.“
Das sind nur einige Aussagen von Erzieherinnen und Erziehern uns gegenüber. Wir waren wirklich schockiert, als wir mit den Kitas telefoniert haben. Obwohl wir durch zahlreiche Schilderungen von besorgten Eltern vorbereitet waren, sind die Rückmeldungen aus den Kitas schlimmer, als wir erwartet haben. Viele Erzieherinnen und Erzieher wünschen sich mehr Unterstützung von der Kommune und endlich eine Verbesserung des Personalschlüssels. Das Spardiktat der CDU-geführten Landesregierung wird auf den Rücken der Kinder und den Erzieher und Erzieherinnen ausgetragen! Unsere Kinder haben gute, liebevolle Betreuung verdient, keine Verwahrung!
Personalschlüssel ist kein Gruppenschlüssel
Der Betreuungsschlüssel in Sachsen ermöglicht schon jetzt wenig qualitative pädagogische Arbeit. Zunächst einmal muss deutlich gemacht werden, dass der Personalschlüssel kein Gruppenschlüssel ist. Es handelt sich um eine Berechnung mit Vollzeitäquivalenten und nicht um tatsächliche Einzelpersonen, die für je 6 Krippen- oder 13 Kindergartenkinder verantwortlich wären. Viele Erzieherinnen und Erzieher haben Teilzeitstellen, Gruppengrößen um die 18 Kinder sind in Leipzig normal und nach Aussage des Jugendamts auch im rechtlichen Rahmen. In vielen Kitas ist die tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation durch offene oder teiloffene Arbeit ohne feste Bezugsgruppen außerdem schwammig und vermutlich faktisch noch schlechter. Das sächsische Kita-Gesetz sieht diesbezüglich keine konkreten Reglungen vor. Kommen Personalausfälle durch Urlaub und Krankheit hinzu, verschlimmert sich die Situation. Aus Leipziger Kindertagesstätten kamen 2013 allein sieben Überlastungsanzeigen. Das muss wachrütteln!
Auch Vor- und Nachbereitungszeiten fehlen
Elternverbände und Gewerkschaften fordern schon lange die Verbesserung der Personalstruktur in sächsischen Kitas. Ende 2013 wurde eine 77.000 Unterschriften starke Petition im sächsischen Landtag eingereicht. Bei dieser geht es auch um die Einführung von Vor- und Nachbereitungszeiten. Der auf den Papier festgesetzte Betreuungsschlüssel kann in der Realität meist nicht eingehalten werden, da Verwaltungsaufgaben oder Vor- und Nachbereitungszeiten der pädagogischen Arbeit im Personalschlüssel nicht in ausreichendem Umfang eingeplant sind. Wollen Erzieherinnen und Erzieher Entwicklungsdokumentation, Elterngespräche und pädagogisch durchdachte Angebote leisten, wie im sächsischen Bildungsplan gefordert, müssen sie dies oft in ihrer Freizeit erledigen.
Am 31. August für gute Kinderbetreuung wählen
Ein Umdenken ist dringend notwendig. Bei der Kinderbetreuung darf es nicht nur um Quantität gehen, sondern auch um Qualität! Mehr Erzieher, ein Personalschlüssel entsprechend einer realen Fachkraft-Kind-Relation, idealerweise von 1:3 im Krippen- und 1:7 im Kindergartenbereich, eine angemessene Entlohnung für die Erzieherinnen und Erzieher, bezahlte Vor- und Nachbereitungszeiten, ein Pool von Erzieherinnen, die im Krankheitsfall einspringen können, gute und regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und kleine Gruppen sind wesentliche Bausteine für eine verantwortungsvolle frühkindliche Bildung. Ein Bündel von verbessernden Maßnahmen ist notwendig, um die Arbeit im Bereich der Frühpädagogik wieder attraktiv zu machen und nicht zuletzt unseren Kindern gerecht zu werden. Die sächsische Landtagswahl am 31.08.2014 sehen wir als Chance und hoffen, dass Wähler und Parteien diese im Sinne einer guten Kinderbetreuung nutzen werden .
Gelegenheit, die Positionen zur Kinderbetreuung der zur Wahl stehenden Parteien in Erfahrungen zu bringen gibt es zum Beispiel beim „Kita-Talk“ am 23.08.2014, von 10:30 – 11:30 Uhr im Podium Nikolaikirchhof, veranstaltet vom Gesamtelternrat Leipzig.
Veranstaltungstext:
Wir möchten eine Woche vor der Landtagswahl den Eltern und Familien in
Leipzig die Chance geben, die Landtagskandidaten der Parteien
kennenzulernen und deren Standpunkt zum Thema „Kita“ zu erfahren.
Zum „Kita-Talk“ laden wir alle großen Parteien in Sachsen ein, mit uns
auf einem Podium die Rahmenbedingungen in Sächsischen Kitas zu
diskutieren. Infostände und ein familiäres Rahmenprogramm runden die
Veranstaltung ab.
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