Vertreterinnen der sachsenweiten Initiative „Weil Kinder Zeit brauchen“ zur Verbesserung des Personalschlüssels in sächsischen Kitas trafen sich Ende September mit einem Bornaer CDU- und Landtagsmitglied und sprachen mit ihm über den neuen Betreuungsschlüssel von 1:12, der in Sachsen für Erzieher_innen im Kindergartenbereich seit dem 01.09.2016 gilt.
Was bedeutet das? Welche Auswirkungen hat der neue Schlüssel für die Kinderbetreuung in der Kita?
Ausgehend von den angemeldeten Kindergartenkindern in den Kitas der Volkssolidarität Kreisverband Borna e.V. hatten unsere Vertreter die zeitlichen Auswirkungen pro Kind und das insgesamte „Mehr“ an Betreuungspersonal gegenüber dem alten Personalschlüssel errechnet. Ergebnis: pro Tag hat ein 9-Stunden-Kindergartenkind 3 min und 4,8 sek mehr individuelle Betreuungszeit als im September 2014.
Das heißt, der neue Betreuungsschlüssel bringt weder Erziehern noch Kindern mehr Qualität und Quantität in der pädagogischen Arbeit. In keiner unserer Kitas konnte mehr Personal zur Entlastung der pädagogischen Fachkräfte eingestellt werden.
Hier offenbart sich die ganze Absurdität der „schrittweisen Verbesserung“ des Personalschlüssels! Der Gesprächspartner verweist zum einen auf den „finanziellen Kraftakt“, den Sachsen für die Verbesserung des Schlüssels aufzubringen habe sowie auf die SPD, die diese Schlüsselverbesserung 2014 zur Bedingung für eine Koalition gemacht hatte und auf die Kommunen, wie auch die CDU es bereits in unseren Interviews zur Kita-Krise 2013 getan hatte, denn es stünde Kommunen und Kitas schließlich frei, mehr Personal einzustellen, das sächsische Kita-Gesetz gebe lediglich Mindestanforderungen vor.
Außerdem wird einmal mehr ignoriert, dass sowohl Kommunen als auch Träger, geschweige denn einzelne Kitas allein dies einfach und frei umsetzen können. Kommunen finanzieren Personal lediglich entsprechend der Mindestforderungen des Kita-Gesetzes. Freie Träger arbeiten finanziell stets am Limit und sind chronisch unterfinanziert, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Betriebskostenzuschuss des Landes Sachsen nicht entsprechend der tatsächlichen Steigerung angehoben wird. Es ist schlicht nicht möglich, einfach mehr Personal einzustellen, weil das Geld dafür fehlt.
Auch der Verweis auf die SPD, die immerhin auf die Verbesserung des Schlüssels bestanden habe und der Zusatz „Er sieht heute die Zweifel der CDU bestätigt. Nur schrittweise können wirksame Veränderungen im Kita-Bereich erzielt werden“ wirkt in dem Zusammenhang merkwürdig. Eine Verbesserung der Betreuungsschlüssel war Wahlkampfthema und die SPD hat im Zuge dessen versprochen, dass sich etwas ändert. Immerhin wurde das „heiße Eisen“ tatsächlich angetastet. Jedoch sind die Veränderungen ein Witz, wie die Berechnungen von „Weil Kinder Zeit brauchen“ deutlich zeigen. Wir sagen ganz klar: So kommen wir nicht weiter und diese Tippel-Tappel-Schritte sind zu klein, bei allem Verständnis für Finanzierungs-Kraftakte. (Wenn man sich indes genau anschaut, wofür in Sachsen durchaus Geld im Haushalt bereitgestellt wird, etwa 140.000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsministeriums, relativiert sich diese Aussage durchaus ein wenig. Das stellt die Initiative „Die bessere Kita„plakativ auf ihrer Facebookseite dar.)
Eine Petition zur Verbesserung des Schlüssel wurde kürzlich wieder ins Leben gerufen: Open Petition: Bildung von Anfang an – Betreuungsschlüssel in Kitas verbessern. Die Vielzahl der Graswurzelinitiativen, die Berichte über die Zustände in den Kitas und nicht zuletzt auch das Engagement der Liga der freien Wohlfahrtpflege Sachsen zeigen, dass es sich beim Betreuungsschlüssel um ein Thema handelt, dass nicht durch den im Koalitionsvertrag beschlossenen Minimalkonsens zu den Akten gelegt werden darf! Sachsen ist im bundesweiten Vergleich nach wie vor im hinteren Bereich in Sachen Betreuungsqualität angesiedelt. Wir und andere Initiativen geben nicht auf, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen!
Zum allgemeinen Verständnis des Personalschlüssels:
In § 12/1 des Sächsischen Kitagesetzes heißt es: „ Kindertageseinrichtungen müssen über eine ausreichende Anzahl pädagogischer Fachkräfte für die Leitung und die Arbeit mit den Kindern verfügen. Die Arbeit der Fachkräfte kann durch weitere geeignete Mitarbeiter sowie durch Eltern unterstützt werden.“ Und weiter in Abs. 2: „Es gelten in der Regel folgende Personalschlüssel: Kinderkrippe: eine vollbeschäftigte pädagogische Fachkraft für 5 Kinder, Kindergarten: eine vollbeschäftigte pädagogische Fachkraft für 12 Kinder“.
Wichtig für das Verständnis des Personalschlüssels ist:
1. Der Betreuungsschlüssel ist keine Sache der Stadt/Gemeinde ist, in der ihr lebt und auch nicht des Trägers eurer Kita oder der Kita bzw. der Kita-Leitung! Festgesetzt wird dieser Schlüssel auf Landesebene, sprich: im sächsischen Landtag durch die regierenden Parteien. Ihr entscheidet also vor allem durch euren Wahlzettel, ob sich hieran etwas ändert. (Für deutlich bessere Schlüssel setzen sich nicht-konservative Parteien wie die Grünen, die Linke, die SPD oder auch die FDP seit jeher ein.)
2. Es handelt sich um einen Personalsschlüssel, nicht um einen Gruppenschlüssel. Ein Schlüssel von 1:12 bedeutet nicht, dass eine Erzieherin maximal 12 Kinder betreuen darf. Der entscheidende Punkt hierbei ist die Formulierung „eine vollbeschäftigte Fachkraft“. Das Problem: Viele Erzieherinnen und Erzieher haben lediglich Teilzeitstellen. Berechnet wird (vereinfach gesagt) die Gesamtanzahl der Kinder bzw. deren sehr unterschiedliche Betreuungsstunden durch die Gesamtanzahl der (theoretischen) Vollzeit (nach Gesamt-Arbeitsstunden) . In der Kernbetreuungszeit (meist zwischen 9 und 15 Uhr) sind Gruppengrößen in Sachsen von 18 Kindern, die von einer Fachkraft betreut werden, durchaus normal und nach Aussage des Leipziger Jugendamts auch vollkommen im rechtlichen Rahmen. Hinzu kommen die Urlaubs- und Krankentage der Fachkräfte, die die Situation – gerade in den Herbst- und Wintermonaten – zusätzlich verschärfen! Bei einer zusätzlichen Betreuungszeit von 3 Minuten pro Kind und Fachkraft ändert sich hieran kaum etwas.