Leipzig gibt sich gern familienfreundlich. Wir Eltern sehen das anders. Die selbst ernannte „Familienstadt“ verschläft den Ausbau der Betreuungsplatzkapazität seit Jahren. Wir schätzen, dass zwischen 2000 und 5000 Betreuungsplätzen in Leipzig fehlen, das Jugendamt nennt keine offiziellen Zahlen, da diese – so die Aussage – nicht erhoben werden können. Zumindest sind das die Plätze, die laut der Stadt in den nächsten Jahren hinzukommen sollen. Auf eine Anfrage der Linken im Landtag wurde vom Kultusministerium im Dezember 2014 ein Mangel von 2000 Betreuungsplätzen in Leipzig (500 Krippen-, 1500 Kindergartenplätze) bescheinigt (Quelle l-iz.de).
Seit zwei Jahren versucht die Stadt nun, ihre Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufzuholen.
Mit der Erhöhung der Platzanzahl ist es aber noch nicht getan. Rund um das Thema ‚Kinderbetreuung‘ gibt es zahlreiche Missstände:
Vergabe: Probleme beim Finden eines Betreuungsplatzes
Beinahe alle Leipziger Eltern bekommen es mit diesen Problemen früher oder später zu tun: Wir finden keinen Krippenplätze für unsere Kleinkinder und haben deshalb Probleme beim Wiedereinstieg in das Berufsleben oder bei der Weiterführung unserer Ausbildung. Wer einen Platz für sein U3-Kind in der Tagespflege hat, steht nach dem 3. Geburtstag des Kindes vor dem gleichen Problem, denn es gibt in Leipzig auch nicht ausreichend Kindergartenplätze für Kinder älter als 3 Jahre. Und das, obwohl die Kinder bereits seit 1996 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben!
Die Eltern schauen Tag und Nacht verzweifelt in das Kita-Portal, immer in der Hoffnung, dass ein freier Betreuungsplatz angezeigt wird. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, denn es werden nur 4% der Plätze über das Portal vergeben. Wir müssten eigentlich eigene Sachbearbeiter beschäftigen, die die Suche nach einem Betreuungsplatz managen, weil jede Kita, jeder Träger und jede Stelle die Vergabe anders regelt. Also rennen wir zu Tagen der offenen Tür, fühlen uns genötigt, die Kita-Leitung zu umwerben oder sogar zu bestechen. Wir telefonieren, schreiben E-Mails und Briefe, Gesuche, Bittstellungen, Bewerbungen und Anzeigen im Internet. Die Kita-Leiterinnen sind genervt und wimmeln uns ab. Das Jugendamt ist keine Hilfe. So stehen wir da und haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Wie sollen wir so den Wiedereinstieg in den Job schaffen? Wie soll es finanziell nach der Elternzeit (ohne Elterngeld) weitergehen? Wir können es uns nicht leisten, ewig Zuhause zu bleiben. Wir sind auf Kinderbetreuung angewiesen!
Wir haben uns das alles ganz anders vorgestellt. Wir wurden schwanger, haben uns auf unsere Kinder gefreut, sie zur Welt gebracht und uns in den ersten Lebensmonaten gegenseitig kennengelernt. Wir sind Eltern geworden, haben Ideen bekommen, was für uns „gute Kindheit“ bedeutet, was wir gut und richtig finden, für uns und unsere Kinder. Wir haben uns überlegt, welche Betreuung zu uns und unseren Kindern passen würde, welches pädagogische Konzept, welche Schwerpunkte… Und dann stoßen wir auf Ablehnung, Hohn ob unserer „Naivität“ in dieser Sache. In Leipzig sieht die Realität anders aus. Von Wunsch- und Wahlfreiheit, die wir nach dem Sächsischen Kitagesetz eigentlich haben sollten, kann hier keine Rede sein. Wir müssen uns glücklich schätzen, wenn wir überhaupt irgendeinen Betreuungsplatz für unsere Kinder finden. nicht selten am anderen Ende der Stadt. Ob Kita-Konzept, Ernährung, Gruppe, Erzieherin und unser Kind zusammenpassen steht überhaupt nicht zur Debatte.
Qualität: Wer einen Platz hat, stößt auf weitere Missstände
Wenn wir dann endlich einen Platz haben, hören die Probleme aber nicht auf: Wir bekommen mit, wie überforderte, gestresste und (verständlicherweise) schlecht gelaunte Erzieherinnen zu den Bezugspersonen unserer Kinder werden. Und sie können dabei gar nichts dafür: Zwischen 13 und 18 Kinder muss eine Erzieherin hier betreuen! Dabei ist der gesetzlich festgelegte Betreuungsschlüssel (1:6 in der Krippe, 1:13 im Kindergarten) in Sachsen ohnehin schon einer der schlechtesten in ganz Deutschland.
Fällt eine Erzieherin aus, ist die Not groß. Notfallpläne gibt es nicht, kann es nicht geben, weil es zu wenig Erzieherinnen gibt. Den Beruf möchte kaum noch jemand machen. Warum auch? Die Bezahlung ist miserabel, die Arbeitsbedingungen sind schlecht, die Aufstiegschancen dürftig und die Teilzeitquote hoch. Die Erzieherinnen sollen immer mehr leisten, bekommen dafür aber nach wie vor nicht die entsprechende Anerkennung, weder in Form von Lohn, noch in Form von Wertschätzung. Die Erzieherinnen werden immer älter, fallen noch häufiger aus, der professionelle Nachwuchs bleibt aus.
An diesen Zuständen sind nicht vorrangig die Kitas schuld!
Die Geburtenrate steigt in Leipzig nicht erst seit gestern. Der positive Trend war abzusehen. Die Stadt hat den Kita-Ausbau seit Jahrzehnten verschlafen und falsche Prioritäten gesetzt! Kinderbetreuung ist eine Mammut-Aufgabe (und -Ausgabe) für die Stadt. Aber es ist auch eine ihrer wichtigsten Aufgaben!
- Die Schaffung ausreichend und guter Kinderbetreuungsplätze, besonders in familienreichen Vierteln.
- Eine vernünftige Mangelverwaltung.
- Eine transparente und faire Platzverwaltung und -vergabe.
- Endlich eine angemessene Bezahlung für Tagespflegeeltern UND Erzieher_innen.
- Offene Kommunikation und Transparenz.
- Eine reale Bedarfsanalyse durch einfaches Erfragen des voraussichtlichen Platzbedarfs direkt nach der Geburt eines Kindes. (<- erreicht)
- Betreuung, Förderung und Forderung durch gut ausgebildete, individuelle Persönlichkeiten. Profis in die Kita! Hürden, die Akademikerinnen den Zugang zu den Kindertagesstätten erschweren, müssen abgebaut werden.
- Die Realisierung von einem sinnvollen Betreuungsschlüssel und damit angemessenen Gruppengrößen.
- Die Unterstützung einer konzeptionellen Vielfalt für echte Wahlfreiheit.