Update 10/2016: Sieg drei Leipziger Frauen vor dem Bundesgerichtshof! Drei Frauen aus Leipzig hatten jeweils kurz nach der Geburt ihrer Kinder bei der Stadt Bedarf an einem Kita-Platz nach einem Jahr Elternzeit angemeldet. Sie konnten aber erst Monate später zurück in den Job. Die Stadt soll nun den entgangenen Verdienst ausgleichen. Das Bundesgericht gab den Klägerinnen Recht! Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann betonte aber bei der Verkündung: „Damit ist die Sache noch lange nicht zu Ende.“ Denn die Gerichte der Vorinstanzen hatten nicht geklärt, ob die Stadt schuld an den Verzögerungen war. Das Oberlandesgericht Dresden muss die Fälle deshalb noch einmal verhandeln und endgültig entscheiden. Grundsätzlich eröffnet die BGH-Entscheidung aber auch anderen Eltern die Möglichkeit einer Schadenersatz-Klage. Denn Urteile der obersten Zivilrichter in Karlsruhe sind für die Rechtsprechung in ganz Deutschland maßgeblich. (Quelle u.a. lvz-onlinde.de, Link)
Update 02.02.2015: Leipziger Eltern klagen erfolgreich Schadensersatz durch Verdienstausfall gegen die Stadt ein! (Quelle u.a.: mdr.de, Link)
Befragte „Experten“ schildern den Eindruck, es sei nach dem Präzedenzfall keine Klagewelle zu erwarten (Quelle: mdr.de 03.02.2015, Link). Wir sind der Ansicht, dass das eher daran liegt, dass Eltern sich nicht trauen, die Stadt zu verklagen. Viele Eltern scheuen die Konfrontation mit der Stadt oder hohe Kosten im Falle des Verlierens. Drei Leipziger Familien haben nun bewiesen, dass es sich lohnt, auf das Recht auf Kinderbetreuung zu bestehen! Wenn ihr nach der Elternzeit später als ursprünglich geplant wieder zurück in den Job könnt, dann scheut euch nicht, den entstandenen Schaden einzuklagen! Der positive Nebeneffekt ist, dass die Stadt auf diese Weise die Dringlichkeit der Eltern anerkennen und handeln muss!
Der Rechtsweg im Falle fehlender Kindertagesplätze
(Gastbeitrag von dem Leipziger Rechtsanwalt Dirk Feiertag)
Obwohl das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs auf Kindertagesbetreuung ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zum Schuleintritt des Kindes weitgehend bekannt ist, herrscht große Unsicherheit über die Frage, welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, wenn der Anspruch von den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe nicht bzw. nicht rechtzeitig erfüllt wird.
Ob sich die Weiterverfolgung des einmal gestellten Antrags auf Kinderbetreuung ggf. sogar mithilfe der Gerichtsbarkeit lohnt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die es jeweils im Einzelfall zu klären gilt.
Dabei ist der Anspruch auf Kinderbetreuung (als Primäranspruch) von den sog. Sekundäransprüchen (Schadens- und Aufwendungsersatz) zu unterscheiden.
Inhalt und Durchsetzung des Primäranspruchs
Wir behandeln hier die für die Lebenszeit Ü1 – 3 und Ü3 – Schuleintritt ausgestalteten Primäransprüche. Der U1-Anspruch wird vom Gesetz nicht vorbehaltlos gewährleistet und ist daher nicht Gegenstand des Beitrags.
Neu eingeführt wurde der Betreuungsanspruch der unter-3-jährigen Kinder zum 01.08.2013. Er unterscheidet sich kaum von dem schon länger bestehenden Anspruch der 3-jährigen (und älteren) Kinder.
Ein nennenswerter Unterschied zwischen den Ansprüchen ist aber, dass der Anspruch der älteren Kinder ausdrücklich auf einen Kindergartenplatz gerichtet ist. Die Eltern müssen sich also nicht gegen ihren Willen auf die Weiterbetreuung in einer Tagespflege verweisen lassen.
Um den primären Anspruch auszulösen, sind die Eltern zunächst verpflichtet, dem Jugendamt und wenigstens einer Wunschkita den Betreuungsbedarf rechtzeitig anzuzeigen. Für eine rechtzeitige Anzeige ist der Bedarf mind. sechs Monate zuvor bekannt zu machen (§ 4 SächsKitaG). Im Normalfall ist der gesetzliche Betreuungsanspruch des Kindes nicht vor Ablauf dieser Zeitspanne durchsetzbar.
Die Frist ist vorsorglich auch einzuhalten, wenn die Betreuung des Kindes mit Vollendung des 3. Lebensjahres von einer Tagespflege auf einen Kindergarten übergehen soll.
Wichtig ist dabei aus Beweisgründen, die Bedarfsmeldung schriftlich vorzunehmen und den Eingangszeitpunkt nachweisbar zu machen (Abgabe des Antrags im Beisein eines Zeugen oder Eingangsbestätigung der Behörde)
Der konkrete Inhalt des Betreuungsanspruchs ist in einigen Details noch nicht gerichtlich ausdefiniert. Es kristallisiert sich zwar zusehends heraus, dass eine Wegstrecke zwischen Kita und Wohnsitz des Kindes nicht mehr als 30 Minuten in Anspruch nehmen sollte. Indes bedarf der zeitliche Umfang einer „Ganztags“-Betreuung (max. 6 h oder Anspruch auf mehr?) noch grundlegender richterlicher Klärung. Auch das Wahlrecht zwischen Kita und Tagespflege ist für die U3-Kinder noch streitig. Die individuelle Bedarfslage sollte mit einem Anwalt besprochen werden, um die Erfolgsaussichten des Betreuungswunsches im Einzelfall zu klären.
Keine Reaktion der Stadt und die Zeit vergeht immer rascher?
Eine fehlende Zusage der Stadt ist noch keine Absage. Verbindliche Absagen, gegen die mit einer Klage vorgegangen werden könnte, werden die Eltern häufig gar nicht oder erst im letzten Moment erhalten.
Falls die Stadt Leipzig den Einwand erhebt, die Erfüllung der Betreuungsansprüche sei ihr (im Rechtssinne) „unmöglich“, da sie über keine Plätze mehr verfüge und eine Kapazitätserweiterung nicht verlangt werden könne, lohnt sich die anwaltliche Beratung. Gegen diese Behauptung stehen zahlreiche aussichtsreiche Argumente bereit.
Gerade bei erkennbarer Verzögerungstaktik des Jugendamts empfiehlt sich die möglichst frühzeitige Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei, denn die Behörde müsste ggf. auf dem Gerichtsweg gezwungen werden, eine verbindliche Auskunft zu erteilen. Hierfür können u.U. auch Eilrechtswege genutzt werden, die eine wesentlich schnellere Entscheidung erwarten lassen als eine Klage. Innerhalb welcher Frist ein Ergebnis erzielt werden kann, lässt sich aber nicht pauschal einschätzen, sondern hängt vom Einzelfall ab.
In unserer bisherigen Praxis gelang es uns stets, einen Betreuungsplatz für unsere Mandanten außergerichtlich zu erwirken, aber mit zunehmender Platzknappheit werden sich die Widerstände erhöhen.
Mögliche Sekundäransprüche
Kann die Stadt auch mit Hilfe eines Gerichts nicht zur rechtzeitigen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes bewegt werden, obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für den Primäranspruch (s.o.) vorliegen und entsteht in der Folge ein finanzieller Schaden, dann befinden sich die Anspruchsteller im Bereich der sog. „Sekundäransprüche“.
Zu erstatten sind dann solche überschießenden Aufwendungen, die den Eltern bei antragsgemäßer Zuweisung eines Betreuungsplatzes erspart geblieben wären. Kosten, die auch bei rechtzeitiger Unterbringung des Kindes in einer öffentlichen Betreuungseinrichtung angefallen wären, sind anteilig vom Ersatzanspruch abzuziehen (z.B. Elternbeiträge, Verpflegungskosten).
Für den Erfolg des Sekundäranspruchs ist in erster Linie erforderlich, dass ein Primäranspruch bestand, der nicht erfüllt wurde. Liegt die Verantwortung insoweit allein bei der Stadt, die ihre Pflichten verletzte, dann stehen die Chancen der Eltern auf Ersatz ihrer Kosten sehr gut. Dazu werden im Normalfall auch die notwendigen Anwaltskosten gehören.
Beachten sollten Eltern für einen möglichen Rechtsstreit aber immer, dass sie die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen tragen. Sie müssen daher in der Lage sein, der Behörde oder dem notfalls anzurufenden Gericht folgende Punkte darzulegen:
- Es gab einen Betreuungsanspruch, der Bedarf wurde rechtzeitig angemeldet
- Die Eltern sind allen von der Stadt eventuell unterbreiteten Betreuungsangeboten und Anregungen ohne Erfolg nachgegangen (Anlage einer Excel-Tabelle mit allen erfolglosen Versuchen ist empfehlenswert),
- Da kein (zumutbarer) Betreuungsplatz angeboten wurde, mussten die Eltern auf eine kostenintensivere Lösung ausweichen (private Kita, Verzicht auf Rückkehr in den Beruf zwecks Eigenbetreuung des Kindes)
- Alle entstandenen Aufwendungen, für die Ersatz begehrt wird, sollten gut dokumentiert und ihre Notwendigkeit (auf Neudeutsch: “Alternativlosigkeit“) begründet werden.
Fazit
Die Betreuungsplätze der Stadt Leipzig werden offenkundig knapper.
Ein Kontingent an „Notfall-Plätzen“ gab oder gibt es höchstens inoffiziell. Was die Stadt bei deren Vergabe ggf. als „Notfall“ betrachtet, lässt sich leicht denken: es ist sicher nicht die notleidenste Familie, die solche Plätze erhält. Einen Notfall aus der Perspektive der überlasteten Mitarbeiter des Jugendamts stellen vielmehr klagewillige Eltern dar, die der Stadt nach monatelanger Vertröstung endlich den Fehdehandschuh hinwerfen.
Am besten unterrichten Sie sich zeitnah über Ihre Rechte, damit Sie eine informierte Entscheidung treffen können, wenn es schnell gehen muss.
Eltern sollten beachten, dass sie ihre Erfolgschancen deutlich erhöhen, je früher sie einen anwaltlichen Beistand einschalten. Sie profitieren am meisten von ihrem Anwalt, wenn sie von Anfang an alle Schritte juristisch koordinieren. Dann können sie sicher sein, dass alle in Betracht kommenden Ansprüche abgesichert werden, was Ihnen am Ende Geld, Zeit und Nerven spart.
Als spezialisierter Ansprechpartner in Leipzig steht die Kanzlei fsn-recht Rechtsanwälte, vertreten durch Herrn RA Dirk Feiertag zur Verfügung.
fsn-Recht Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Dirk Feiertag
Georg-Schumann-Straße 179
04159 Leipzig
Der Stern hat am 24.05.2017 ein Interview mit einer Anwältin zum Thema ‚Anspruch auf Kinderbetreuungsplatz durchsetzen‘ veröffentlicht: http://www.stern.de/tv/faq-fragen-und-antworten-so-koennen-sie-den-anspruch-auf-einen-kitaplatz-durchsetzen-7467212.html
Übersichtlich und leicht erklärt finden sich Informationen zum Rechtsanspruch auch auf http://bildungsrecht.pro/kitaplatz-schadenersatz-klage-einklagen-kanzlei-rechtsanwalt-kindergartenplatz-berlin-koln/