Wir haben uns die Interviews noch einmal genau angeschaut, zusammengefasst und kommentiert. Interessant sind die Informationen, die u.a. die FDP für Eltern zum Thema Kitaplatz-Suche und Rechtsanspruch gibt (Ende der Stellungnahme)
Einschätzung der Kita-Situation
Dramatisch (die Linke). Nicht ausreichend (CDU). Schwierig (FDP). Problematisch (Grüne). Noch angespannt (SPD).
SPD, Grüne und Die Linke schätzen die Situation als höchst problematisch mit vielen Problemstellen ein. CDU und SPD hingegen wirken optimistischer: Sie räumen ein, dass die Plätze derzeit nicht ausreichen, erklären aber auch, dass schließlich alles getan werde, um den Mangelzustand zu ändern, was dann wohl auch in absehbarer Zeit erreicht sein wird. Daran scheint kein Zweifel zu bestehen.
Kommentar:
So wird vermittelt: „Wir bauen doch aus, was sollen wir auch sonst tun?“ Der Mangel ist JETZT da, wir müssen JETZT damit leben und die Stadt muss für unsere desaströse Situation Verantwortung übernehmen! Eine adäquate Mangelverwaltung wäre das Mindeste, was die Stadt uns Eltern entschädigend anbieten müsste – eine Abschaffung des sinnlosen Eltern-Portals etwa oder Entschädigungsleistungen für alle, die länger als 3 Monate einen Kita-Platz suchen sowie Unterstützung beim Finden und Bezahlen privater Kinderbetreuung. Die Übernahme von Verantwortung sieht anders aus.
Die Kita-Situation im Optimalfall
Alle Fraktionen wünschen sich, dass alle Kinder, für die ein Platz benötigt/gewünscht wird, einen Platz bekommen.
Die Bedingungen unterscheiden sich aber dann doch: Die CDU meint, dass für jedes Kind ein Platz „mit zumutbarem Aufwand“ gefunden werden soll. FDP und SPD und sprechen sich außerdem betont für echte Wahlfreiheit bei dem Betreuungslatz aus, was für diese VertreterInnen bedeutet, dass mehr Plätze vorhanden sein müssen, als nachgefragt werden. Der Faktor „Wohnortnähe“ wird bei den Grünen, der SPD und der Linkspartei besonders betont. Eine transparente Platzvergabe wird von FDP, den Linken und den Grünen gefordert. Die Grünen sprechen zudem ausdrücklich von ausreichend Kita-Plätzen, während ansonsten von Betreuungsplätzen in Kita oder Tagespflege die Rede ist.
Kommentar:
Mehr als genug Plätze und Wahlfreiheit: Das wünschen wir uns auch. Was im Sinne der CDU ein „zumutbarer Aufwand“ ist, würden wir gern genauer wissen.
Wie soll die Situation verbessert werden?
SPD und CDU sehen die Schaffung von mehr Plätzen als oberstes Ziel.
FDP, Linke und Grüne scheinen sich einig zu sein, dass für Kitas mehr Geld ausgegeben werden muss. Dafür müssten vor allem die Prioritäten der Stadt anders gesetzt werden. Außerdem müsse das Land Sachsen die Kitapauschale erhöhen.
Ein Plan zum Umgang mit der Personalknappheit (FDP, Grüne), eine Veränderung der Vergabepraxis (Grüne) und eine tatsächliche Erfassung des Platzbedarfs (Linkspartei) sind weitere Veränderungsansätze, die aber offensichtlich nicht von allen Parteien gleichermaßen getragen werden.
Alle Parteien – bis auf die CDU – erklären später außerdem detailliert, wie sich ihre Fraktion vehement für die Verbesserung der Kita-Situation eingesetzt hat. Mehrere Fraktionen – FDP, SPD und Grüne – betonen man könne sich auch gern direkt bei Ihnen melden, wenn man Probleme bei der Kitaplatz-Suche hat.
Kommentar:
Mehr Kita-Plätze: Das wollen alle Fraktionen. Aus den Standpunkten von SPD und CDU klingt heraus, dass das Schaffen von mehr Plätzen ausreichend würde. Linke, FDP und die Grünen sehen darüber hinaus weiteren Handlungsbedarf. In der Gesamtheit kommt man fast zu dem, was wir uns vorstellen: Ausbau fokussieren, Personalknappheit begegnen, die Vergabe ändern, den Platzbedarf bei den Eltern erfragen. Uns fehlt wieder der Punkt: Mangelverwaltung. Was können die Fraktionen uns denn JETZT anbieten? Außerdem wollen wir unsere Kinder GUT betreut wissen – die Qualität darf nicht unbedacht bleiben! Das Interview mit Kita-Leiter Jürgen Brehmewar in dieser Hinsicht erschreckend.
Warum ist die Kita-Situation in Leipzig so problematisch und warum ist eine zufriedenstellende Lösung so schwer erreichbar?
Fakt ist: Die Zuschüsse der Stadt zur Kita-Finanzierung sind seit 2000 von 35,4 Mio. Euro auf 106,7 Mio. Euro gestiegen. Die Geburtenzahl ist von 3.757 auf 5.566 pro Jahr gewachsen.
Als Grund für die zähe Verbesserung der Situation führen die Fraktionen verschiedenste Punkte an. Hier die Übersicht:
- Kitas sind sehr teuer für eine Kommune.
- Leipzig hat eine schwierige Haushaltssituation (Schulden).
- Die Sächsische Kitapauschale wurde seit 2005 nicht erhöht, obwohl die Kosten nachweislich gestiegen sind.
- Viele Zuständigkeiten bezüglich Verbesserungen liegen beim Land Sachsen, etwa der Betreuungsschlüssel – hier kann die Stadt nichts ausrichten.
- Ein Kita-Neubau ist ein sehr langwieriger, bürokratischer Prozess: Strikte Regularien, Prüfungen, etc. sind mit Verzögerungen verbunden – 1,5 bis 2 Jahre müssen von der Planung bis zur Fertigstellung kalkuliert werden.
- Die explosionsartige Bevölkerungs- und Geburtenentwicklung war unvorhersehbar bzw. wurde nicht vorhergesehen / ernst genug genommen.
- Es gibt einen Mangel an für Kitas geeignetem Bauflächen.
- Es gibt bereits jetzt einen Fachkräftemangel und zu wenig Nachwuchs.
- Die Zusammenarbeit der städtischen Ämter untereinander sowie die der Stadt mit Unternehmen ist mangelhaft.
- Die Stadt hat den Ausbau jahrelang verschlafen / hat zu spät reagiert.
- Die Stadt hat die Prioritäten jahrelang falsch gesetzt / setzt die Prioritäten falsch.
Kommentar:
Es ist interessant, dass „die Stadt“ von Vertreter des Stadtrats an vielen Stellen beschuldigt wird. Wir wünschen uns Einigkeit beim Thema Kita!
Woher rührt die Uneinigkeit?
Dass mehr Kitaplätze in Leipzig gebraucht werden, ist klar. Dass mehr Kitaplätze vorrangig durch mehr Kitas zustandekommen, ist auch klar. Es müssen also mehr Kitas gebaut werden, dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Wenn die Stadt den Babyboom nicht hat kommen sehen bzw. zu lange nicht genau genug hingeschaut und/oder entsprechend darauf reagiert hat umso mehr. Dass für eine zufriedenstellende Lösung der Kita-Problematik a) eine realistische Planung mit b) realistischen Zahlen (idealerweise aus einer direkten Bedarfsbefragung stammend) unumgänglich sind: Wer würde das bezweifeln?
Also, liebe Stadträte: Engagiert euch im Sinne von Leipzigs Familien für:
- Mehr Haushaltsmittel für Kitas und weniger für Prestige-Objekte!
- Baugrund vorrangig an Kitas, statt an private Investoren!
- Bedarfsermittlung via Elternbefragung!
- Konkrete Ideen für die Gewinnung von Kita-Personal und die Unterstützung von Kita-Neugründungen durch freie Träger und/oder Elterninitiativen!
- eine Verbesserung der Platzvergabepraxis!
- eine verbesserte Zusammenarbeit der Stadtverwaltung!
Was können/müssen Eltern tun?
Platzsuche:
- Suche nach einem Platz frühzeitig beginnen und Elternportal als Informationsplattform nutzen. Bei der Suche darf keine Einrichtung darf Eltern auf das Portal verweisen! Suche mit und ohne Portal sind parallel möglich!
- Auch Tagespflegepersonen bzw. Träger von Tagespflegepersonen kontaktieren.
- sSpätestens 6 Monate vor Platzbedarf schriftlich an das Jugendamt wenden (in dem Schreiben: Zeitpunkt, ab wann Platz gewünscht + Wunscheinrichtun angeben) UND ein Schreiben mit gewünschtem Betreuungsbeginn an die Wunscheinrichtung schicken. Das ist wichtig für die Klage!
- Drei Monate vor dem Wunschtermin ans Jugendamt wenden und nicht locker lassen!
- Zwei Monate vor dem Wunschtermin über eine Verpflichtungsklage nachdenken (kostet Geld und es gibt keine Garantie, dass sie erfolgreich ist)
- Im Notfall: Den Platz via Klage einfordern.
Politisch:
- Petition, Elternbefragung
- direkt an die Fraktionen herantreten
Vielleicht sollten wir die Anfragen, die wir täglich von verzweifelten, frustrierten, überforderten Eltern bekommen monatlich bündeln und an die Fraktionen / die Stadt weiterleiten, um das Ausmaß deutlich zu machen?