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6 Forderungen der vom Kitaplatz-Mangel betroffenen Leipziger Familien

Forderungskatalog der Leipziger Kita-Initiative angesichts der desolaten Kinderbetreuungssituation in Leipzig 

Seit 2012 verfolgen und kommentieren wir als Leipziger Kita-Initiative, ein Interessen- und Aktionsnetzwerks Leipziger Eltern, Pädagoginnen und Interessierter, das Kita-Geschehen in Leipzig und Sachsen aktiv. Wir sehen und verstehen, dass die Situation rund um die Kinderbetreuung komplex ist. Der Ausbau von Einrichtungen geht stetig voran. Das Kita-Portal wurde verändert. Die Verwaltung gibt inzwischen fehlende Plätze zu. Der Planungs- und Bauprozess soll mit Hilfe einer „Task Force“ verschlankt werden. Fehlende Investoren und fehlende Grundstücke bleiben ein großes Problem…

ABER: Viele Leipziger Eltern sind JETZT akut vom Kitaplatz-Mangel betroffen! Das Bild der 450 anstehenden Familien vor einer Leipziger Kita, die 165 Plätze zu vergeben hat, spricht Bände! Wir akzeptieren nicht länger, dass durch den Fokus auf den Ausbau die heutigen Probleme der zum Teil verzweifelten  Leipziger Familien ignoriert werden!

Eltern verlieren ihren Arbeitsplatz, weil sie aufgrund fehlender Betreuung nicht rechtzeitig zurück in den Job können! Eltern beantragen trotz Arbeitsmöglichkeit Arbeitslosengeld als Übergangslösung! Sachbearbeiterfähigkeiten, viel Durchhaltevermögen und eine unendliche Frustrationstoleanz braucht es in Leipzig beim Versuch, eine Kinderbetreuung zu finden. Viele Eltern entwickeln ernsthafte Stress-Symptome und empfinden die Kinderbetreuungssituation nicht nur als nervig oder frustrierend, sondern als ernsthaft existenzbedrohend! Schöne neue Elternzeit!

So kann es nicht weitergehen! Nehmt uns endlich wahr und nehmt uns ernst!

Deshalb fordern wir von den Verantwortlichen – dem Stadtrat, dem Leipziger Oberbürgermeister Jung, Sozialbürgermeister Thomas Fabian, dem Leipziger Jugendamt und allen anderen am Prozess Beteiligten – einen anderen Umgang mit uns verzweifelt nach Kinderbetreuung suchenden Eltern! Wir wollen nicht länger als anonyme Zahl behandelt werden!

Hier sind unsere 6 Forderungen:

1. Wir fordern Gehör und Beteiligung! Wir fordern, dass die Stadt vom Mangel betroffene Eltern anhört, indem Vertreterinnen etwa bei der Stadtratssitzung sprechen dürfen, in den relevanten Ausschüssen bzw. -beiräten einen Sitz bekommen oder zumindest regelmäßig persönliche Gespräche mit den Verantwortlichen geführt werden. Vorstellbar wäre auch eine Integration unserer Gruppe in den Gesamtelternrat Leipziger Kindertageseinrichtungen. Auch der durch den Jugendamtsleiter ins Leben gerufene, dann aber eingeschlafene „runde Tisch Kita“ könnte reaktiviert werden.

2. Wir fordern Information! Wir fordern regelmäßige öffentliche Eltern- und Informationsabende, mindestens zwei Mal im Jahr, bei denen die Verantwortlichen sich offen und transparent den Fragen (und dem Frust) der nach Kitaplätzen suchenden Eltern stellen und ihnen kompetent Rede und Antwort stehen!

3. Wir fordern Transparenz! Wir fordern eine  sinnvolle Lösung der Platzvergabe unter Bedingungen des Platzmangels! Im Sinne einer angemessenen Mangelverwaltung fordern wir eine einheitliche Vergabe der Betreuungsplätze über das Kita-Portal sowie Transparenz bei der Vergabe! Die Eltern, die am längsten warten, sollten als Erste verfügbare Plätze bekommen! Alleinerziehende sollten stärker berücksichtigt werden! Alle Kita-Leitungen sollten verpflichtet werden, die Anfragen der Eltern über das Portal so zeitnah wie möglich zu bearbeiten! Eltern sollten regelmäßige E-Mails bzgl. des Stands der Bearbeitung ihrer Anfrage und der Vergabe informiert werden! Kita-Leitungen sollten durch die für das Portal zuständige Firma geschult werden, um etwa die permanente Falsch-Einstellung von Plätzen zu vermeiden!

4. Wir fordern Unterstützung! Wir fordern das Jugendamt auf, suchende Eltern wirklich zu unterstützen! Das Jugendamt sollte Eltern regelmäßig aktualisierte Kontaktlisten zu Kitas und Tageseltern direkt mit der Referenznummer aushändigen und idealerweise auch Informationen zu den Vergabe-Modalitäten der einzelnen Kitas mitliefern. Das Erfragen der Vergabe bei den Leitungen verursacht unsäglichen Stress für Eltern und Einrichtungen! Wir fordern, dass die Eltern nicht durch die Mitarbeiter_innen des Jugendamts dazu befragt werden, ob der Betreuungstermin nach hinten verschoben werden kann!

5. Wir fordern mehr Kitaplätze! Neben den üblichen Ausbaubemühungen fordern wir Unterstützung und Förderung von engagierten Gründungswilligen, etwa indem eine Kita-Gründungsberatung angeboten wird. Wir fordern die Unterstützung von Klein-Kitas und Kinderläden! Wir fordern Gespräche und Kooperation der Stadt mit Arbeitgebern, um mehr Betriebskitas und eine Betreuung der Kinder in Elternnähe zu ermöglichen! Wir fordern realistischere Bedarfsplanung und Fokus auf den Ausbau im U3-Bereich! Wir fordern, dass die Stadt zur Not selbst mehr Krippen und Kitas baut und betreibt, anstatt Last und Verantwortung für die Kinderbetreuung (unter dem Deckmantel der Vielfaltsförderung) auf die freien Träger abzuwälzen!

6. Wir fordern Entschuldigungen und gegebenenfalls Entschädigungen! Als Zeichen, dass wir gehört werden, möchten wir öffentlich als relevante Gruppe behandelt werden.

Für den 21.06.2017 haben wir ab 15:30 eine Demonstration vor dem neuen Rathaus zum Thema angemeldet, bei der wir unsere Forderungen lautstark vertreten wollen. Link zur Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/296039137488955/ – Bitte kräftig teilen!

Wir fordern die verantwortlichen Entscheidungsträgerinnen auf, mit uns in Kontakt zu treten unter leipziger.kitainitiative@gmail.com und zu den Forderungen Stellung zu beziehen. Politikerinnen, die uns unterstützen können und wollen – etwa durch entsprechende Stadtratsanträge, durch Kostenunterstützung beim Flyerdruck, Planung und Umsetzung sowie Öffentlichkeitsarbeit für die Demonstration, mögen sich bitte zeitnah bei uns melden.

Eltern und Engagierte, die uns bei der Vorbereitung und Umsetzung der Demonstration am 21.06. unterstützen möchten, melden sich ebenfalls unter leipziger.kitainitiative@gmail.com oder via Facebook auf unserer Seite oder in der Facebook-Gruppe LEOK – Leipziger Eltern ohne Kitaplatz. Lasst euch nicht übergehen – gemeinsam sind wir LAUTSTARK und können etwas verändern! Aber wir brauchen dafür dringend eure Hilfe! Meldet euch!

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Positionen des Stadtrats – Zusammenfassung & Stellungnahme

Wir haben uns die Interviews noch einmal genau angeschaut, zusammengefasst und kommentiert. Interessant sind die Informationen, die u.a. die FDP für Eltern zum Thema Kitaplatz-Suche und Rechtsanspruch gibt (Ende der Stellungnahme)

Einschätzung der Kita-Situation

Dramatisch (die Linke). Nicht ausreichend (CDU). Schwierig (FDP). Problematisch (Grüne). Noch angespannt (SPD).

SPD, Grüne und Die Linke schätzen die Situation als höchst problematisch mit vielen Problemstellen ein. CDU und SPD hingegen wirken optimistischer: Sie räumen ein, dass die Plätze derzeit nicht ausreichen, erklären aber auch, dass schließlich alles getan werde, um den Mangelzustand zu ändern, was dann wohl auch in absehbarer Zeit erreicht sein wird. Daran scheint kein Zweifel zu bestehen.

Kommentar:

So wird vermittelt: „Wir bauen doch aus, was sollen wir auch sonst tun?“ Der Mangel ist JETZT da, wir müssen JETZT damit leben und die Stadt muss für unsere desaströse Situation Verantwortung übernehmen! Eine adäquate Mangelverwaltung wäre das Mindeste, was die Stadt uns Eltern entschädigend anbieten müsste – eine Abschaffung des sinnlosen Eltern-Portals etwa oder Entschädigungsleistungen für alle, die länger als 3 Monate einen Kita-Platz suchen sowie Unterstützung beim Finden und Bezahlen privater Kinderbetreuung. Die Übernahme von Verantwortung sieht anders aus.

Die Kita-Situation im Optimalfall

Alle Fraktionen wünschen sich, dass alle Kinder, für die ein Platz benötigt/gewünscht wird, einen Platz bekommen.

Die Bedingungen unterscheiden sich aber dann doch: Die CDU meint, dass für jedes Kind ein Platz „mit zumutbarem Aufwand“ gefunden werden soll. FDP und SPD und sprechen sich außerdem betont für echte Wahlfreiheit bei dem Betreuungslatz aus, was für diese VertreterInnen bedeutet, dass mehr Plätze vorhanden sein müssen, als nachgefragt werden. Der Faktor „Wohnortnähe“ wird bei den Grünen, der SPD und der Linkspartei besonders betont. Eine transparente Platzvergabe wird von FDP, den Linken und den Grünen gefordert. Die Grünen sprechen zudem ausdrücklich von ausreichend Kita-Plätzen, während ansonsten von Betreuungsplätzen in Kita oder Tagespflege die Rede ist.

Kommentar:

Mehr als genug Plätze und Wahlfreiheit: Das wünschen wir uns auch. Was im Sinne der CDU ein „zumutbarer Aufwand“ ist, würden wir gern genauer wissen.

Wie soll die Situation verbessert werden?

SPD und CDU sehen die Schaffung von mehr Plätzen als oberstes Ziel.

FDP, Linke und Grüne scheinen sich einig zu sein, dass für Kitas mehr Geld ausgegeben werden muss. Dafür müssten vor allem die Prioritäten der Stadt anders gesetzt werden. Außerdem müsse das Land Sachsen die Kitapauschale erhöhen.

Ein Plan zum Umgang mit der Personalknappheit (FDP, Grüne), eine Veränderung der Vergabepraxis (Grüne) und eine tatsächliche Erfassung des Platzbedarfs (Linkspartei) sind weitere Veränderungsansätze, die aber offensichtlich nicht von allen Parteien gleichermaßen getragen werden.

Alle Parteien – bis auf die CDU – erklären später außerdem detailliert, wie sich ihre Fraktion vehement für die Verbesserung der Kita-Situation eingesetzt hat. Mehrere Fraktionen  – FDP, SPD und Grüne – betonen man könne sich auch gern direkt bei Ihnen melden, wenn man Probleme bei der Kitaplatz-Suche hat.

Kommentar:

Mehr Kita-Plätze: Das wollen alle Fraktionen. Aus den Standpunkten von SPD und CDU klingt heraus, dass das Schaffen von mehr Plätzen ausreichend würde. Linke, FDP und die Grünen sehen darüber hinaus weiteren Handlungsbedarf. In der Gesamtheit kommt man fast zu dem, was wir uns vorstellen: Ausbau fokussieren, Personalknappheit begegnen, die Vergabe ändern, den Platzbedarf bei den Eltern erfragen. Uns fehlt wieder der Punkt: Mangelverwaltung. Was können die Fraktionen uns denn JETZT anbieten? Außerdem wollen wir unsere Kinder GUT betreut wissen – die Qualität darf nicht unbedacht bleiben! Das Interview mit Kita-Leiter Jürgen Brehmewar in dieser Hinsicht erschreckend.

Warum ist die Kita-Situation in Leipzig so problematisch und warum ist eine zufriedenstellende Lösung so schwer erreichbar? 

Fakt ist: Die Zuschüsse der Stadt zur Kita-Finanzierung sind seit 2000 von 35,4 Mio. Euro auf 106,7 Mio. Euro gestiegen. Die Geburtenzahl ist von 3.757 auf 5.566 pro Jahr gewachsen.

Als Grund für die zähe Verbesserung der Situation führen die Fraktionen verschiedenste Punkte an. Hier die Übersicht:

  1. Kitas sind sehr teuer für eine Kommune.
  2. Leipzig hat eine schwierige Haushaltssituation (Schulden).
  3. Die Sächsische Kitapauschale wurde seit 2005 nicht erhöht, obwohl die Kosten nachweislich gestiegen sind.
  4. Viele Zuständigkeiten bezüglich Verbesserungen liegen beim Land Sachsen, etwa der Betreuungsschlüssel – hier kann die Stadt nichts ausrichten.
  5. Ein Kita-Neubau ist ein sehr langwieriger, bürokratischer Prozess: Strikte Regularien, Prüfungen, etc. sind mit Verzögerungen verbunden – 1,5 bis 2 Jahre müssen von der Planung bis zur Fertigstellung kalkuliert werden.
  6. Die explosionsartige Bevölkerungs- und Geburtenentwicklung war unvorhersehbar bzw. wurde nicht vorhergesehen / ernst genug genommen.
  7. Es gibt einen Mangel an für Kitas geeignetem Bauflächen.
  8. Es gibt bereits jetzt einen Fachkräftemangel und zu wenig Nachwuchs.
  9. Die Zusammenarbeit der städtischen Ämter untereinander sowie die der Stadt mit Unternehmen ist mangelhaft.
  10. Die Stadt hat den Ausbau jahrelang verschlafen / hat zu spät reagiert.
  11. Die Stadt hat die Prioritäten jahrelang falsch gesetzt / setzt die Prioritäten falsch.

Kommentar:

Es ist interessant, dass „die Stadt“ von Vertreter des Stadtrats an vielen Stellen beschuldigt wird. Wir wünschen uns Einigkeit beim Thema Kita!

Woher rührt die Uneinigkeit?

Dass mehr Kitaplätze in Leipzig gebraucht werden, ist klar. Dass mehr Kitaplätze vorrangig durch mehr Kitas zustandekommen, ist auch klar. Es müssen also mehr Kitas gebaut werden, dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Wenn die Stadt den Babyboom nicht hat kommen sehen bzw. zu lange nicht genau genug hingeschaut und/oder entsprechend darauf reagiert hat umso mehr. Dass für eine zufriedenstellende Lösung der Kita-Problematik a) eine realistische Planung mit b) realistischen Zahlen (idealerweise aus einer direkten Bedarfsbefragung stammend) unumgänglich sind: Wer würde das bezweifeln? 

Also, liebe Stadträte: Engagiert euch im Sinne von Leipzigs Familien für: 

  • Mehr Haushaltsmittel für Kitas und weniger für Prestige-Objekte!
  • Baugrund vorrangig an Kitas, statt an private Investoren!
  • Bedarfsermittlung via Elternbefragung!
  • Konkrete Ideen für die Gewinnung von Kita-Personal und die Unterstützung von Kita-Neugründungen durch freie Träger und/oder Elterninitiativen!
  • eine Verbesserung der Platzvergabepraxis!
  • eine verbesserte Zusammenarbeit der Stadtverwaltung!

Was können/müssen Eltern tun?

Platzsuche:

  1. Suche nach einem Platz frühzeitig beginnen und Elternportal als Informationsplattform nutzen. Bei der Suche darf keine Einrichtung darf Eltern auf das Portal verweisen! Suche mit und ohne Portal sind parallel möglich!
  2. Auch Tagespflegepersonen bzw. Träger von Tagespflegepersonen kontaktieren.
  3. sSpätestens 6 Monate vor Platzbedarf schriftlich an das Jugendamt wenden (in dem Schreiben: Zeitpunkt, ab wann Platz gewünscht + Wunscheinrichtun angeben) UND ein Schreiben mit gewünschtem Betreuungsbeginn an die Wunscheinrichtung schicken. Das ist wichtig für die Klage!
  4. Drei Monate vor dem Wunschtermin ans Jugendamt wenden und nicht locker lassen!
  5. Zwei Monate vor dem Wunschtermin über eine Verpflichtungsklage nachdenken (kostet Geld und es gibt keine Garantie, dass sie erfolgreich ist)
  6. Im Notfall: Den Platz via Klage einfordern.

Politisch:

  • Petition, Elternbefragung
  • direkt an die Fraktionen herantreten

Vielleicht sollten wir die Anfragen, die wir täglich von verzweifelten, frustrierten, überforderten Eltern bekommen monatlich bündeln und an die Fraktionen / die Stadt weiterleiten, um das Ausmaß deutlich zu machen?